"Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile."  (Aristoteles)

SYSTEMISCHE SICHTWEISE

Die Systemik betrachtet den Menschen als Teil von sozialen Systemen. Alle Personen in einem System hängen unmittelbar miteinander zusammen (zirkuläre Interaktion) - beispielsweise in einer Familie, Partnerschaft, Schule oder Arbeitsplatz. Veränderungen in einem System wirken sich daher auf alle Mitglieder aus. Positiv wie negativ.
Dysfunktionale Beziehungen, starre, grenzüberschreitende oder schwammige Strukturen oder ungünstige Kommunikationsmuster innerhalb des Systems können die psychische Gesundheit einzelner Mitglieder beeinträchtigen. Auch äußere Ereignisse wie Umzug, Krankheit oder Trennung wirken auf das gesamte System und kann es aus dem Gleichgewicht bringen. Die Art und Weise es wieder ins Gleichgewicht zu bringen spielt dabei eine große Rolle bei der Entstehung von weiteren Problemen. Oder deren Lösung.

Systemische Therapeuten führen daher die Probleme einer Person (oder mehreren Personen) auf eine Störung im System (Kommunikation, Struktur, Muster) zurück. Im Unterschied zu anderen Therapierichtungen liegt der Fokus aber nicht darauf, die Einflüsse zu finden, die krank machen. Denn in der Systemischen Therapie geht man davon aus, dass jede Störung auch einen bestimmten Zweck im System erfüllt. Gemeinsam mit dem Patienten wird versucht, die Funktion der Symptome innerhalb des Systems aufzudecken und damit ein Verständnis für die Notwendigkeit einer Veränderung zu schaffen.

Ressourcen und Lösungsorientierung

Die Therapeutenperson konzentriert sich auf die bestehenden Ressourcen und das individuelle Lösungswissen, die Klienten und ihre Bezugspersonen mitbringen. Häufig verfügen die Betroffenen über Fähigkeiten, die sie bisher nicht genutzt oder zu wenig oder zu unbewusst eingesetzt haben. Hier gilt es den Lösungsfokus und die Selbstreflexion zu stärken.

Für die Behandlung von psychischen Störungen erkundet der/die Therapeut:in zudem, welche Funktion die Symptome im System haben. Wenn Betroffene die Zusammenhänge verstehen und sehen, welchen Sinn ihre Symptome in einem System haben, können sie diese leichter bewältigen. 

Dabei spielt auch das Erkennen, dass die Welt aus individuellem Erleben und persönlichen Sichtweisen besteht eine große Rolle. Perspektivwechsel führt immer zu möglichkeitserweitertem Lösungswissen. Hierzu werden u.a. kreative Methoden wie das Systembrett, Timeline, Skalierungsscheibe und systemische Fragetechnik herangezogen.

Die Hypnosystemik

Hypnosystemik ist eine Kombination aus Hypnotherapie und systemischer Therapie. Hypnosystemisch meint die Umlenkung der Aufmerksamkeit auf die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten. Eigene Kompetenzen sind latent im Erlebnisrepertoire vorhanden und müssen nur aktiviert werden. 

Aus hypnosystemischer Sicht wird inneres Erleben, also das, was jeder individuell als Wirklichkeit wahrnimmt, sekündlich neu erzeugt. Erleben ist ein fortwährend andauernder Prozess. Unwillkürliche gedankliche und körperliche Prozesse steuern dabei aktiv das Erleben von Wahrnehmung und Wirklichkeit. Deshalb wird in der hypnosystemischen Arbeit der Mensch in seinem individuellen Erleben und seinem erlebtem Hintergrund gesehen. Es stellt sich die Frage: welche bewussten oder unbewussten Bedürfnisse und lebensgeschichtliche Ereignisse und Systemfelder wirken auf das leidvolle Erleben? Und was könnte hilfreich sein, ein neues Erleben zu ermöglichen?

Dabei geht es um 

  • das Erleben von innerer Stimmigkeit,
  • Wahrnehmungskontakt zu eigenen Empfindungen und Bedürfnissen 
  • Gefühl eines flexiblen Erlebnisraumes mit Überblick, Sicherheit und Handlungsfähigkeit, 
  • Fokussierung auf Ziel(e) und nächste Schritte, 
  • Wachheit und Anteilnahme auf innere und äußere Rückmeldungen

Systemsetting vs. Einzelsetting

Die Systemische Therapie findet nicht nur im Systemsetting, sondern auch im Einzelsetting statt. Die Bezugspersonen sind dann nicht anwesend, aber die Therapeutenperson kann stellvertretend zum Beispiel mit Symbolen arbeiten, um die Bezugspersonen miteinzubeziehen (Familienbrett). Die Veränderung des Einzelnen wirkt positiv auf das ganze System (Autopoiesis). 

Neurologische Erkenntnisse & Embodiment-Forschung

Die Einbindung neurologischer Erkenntnisse und die methodische Verwertung der Embodiment-Forschung (nicht nur unser Gerhin, sondern der ganze ­Körper – samt Herz und Darm – erschaffen bewusstes Erleben) sind systemischer Standard.

Integrales und Interdisziplinäres Arbeiten

Ein systemischer Grundsatz heißt: Nutze was dienlich ist. Mehr von dem was hilft. Dies bezieht sich eigentlich auf die Arbeit mit Klienten - doch für mich heißt es auch: ich binde alles ein, was mir bei meiner Arbeit nützlich und zieldienlich erscheint. Also auch Theorien und Methoden anderer therapeutischer Verfahren (insofern ich diese beherrsche!). Die Systemik kann somit als schulenübergreifende, integrale Disziplin bezeichnet werden. Außerdem gilt sie als interdisziplinär, d.h. eine systemische Therapeutenperson strebt nach Möglichkeit eine konstruktive Zusammenarbeit mit anderen professionellen Helferpersonen an. Damit stellt sie einen ganzheitlichen, modernen Ansatz der Psychotherapie dar.

Diagnosenverständnis 

Diagnosen sind in unserem Gesundheitssystem wichtig, um eine Einordnung vornehmen zu können, um z.B. therapeutische Maßnahmen, statistische Erhebungen oder Abrechnungskriterien zu bestimmen. In Deutschland wird eine Therapie von der Kasse oder privaten Versicherung nur dann genehmigt, wenn es eine (Verdachts-) Diagnose gibt. Leitlinie ist dabei der ICD-10, indem Kriterienkataloge (somatische Krankheiten, aber auch psychische Störungen) beschrieben sind. Jede Störung umfasst genaue diagnostische Vorgaben. Diese Kategorisierung hat ihre Berechtigung, jedoch ist aus systemischer Sicht eine solche Einteilung nur ein Blickwinkel auf eine psychische Störung, denn es umfasst nie den ganzen Menschen und seine Lebenssituation. Eine Diagnose ist meist eine Momentaufnahme, bei der Symptome beobachtet werden und im Anschluß in eine Kategorie eingeordnet wird. In vielen Fällen sehr sinnvoll. Doch wird das dem Menschen gerecht? Zum einen kann eine solche Einordnung eine große Stigmatisierung hervorrufen und ein Klient identifiziert sich mit SEINER PSYCHISCHEN KRANKHEIT: "Ich bin psychisch krank, ich bin nicht ganz dicht, ich bin falsch. Ich kann nichts machen!" Ein meist lang induziertes Krankheitsverständnis "Ich bin hilflos" wird dadurch zementiert. Zum anderen kann es auch zu einer Entlastung führen, da man nun endlich weiß, was los ist. Zumindest aus der Sichtweise des Gesundheitssystems. Die Frage ist dann - was für eine Konsequenz hat diese Festschreibung? Der Umgang mit Diagnosen ist also vielfältig und wird deshalb im systemischen Ansatz bewusst aufgegriffen und thematisiert.


Ich bin ganz klar gegen Stigmatisierung und versuche meine Klienten zu einem neuen Bild über "ihre Störung" zu verhelfen. Raus aus der Hilflosigkeit, rein ins neue Erleben von Selbstwirksamkeit.

Beruflicher Kontext

Im beruflichen Kontext ist die systemische Beratung und Supervision nicht mehr weg zu denken. Bei der Bildung neuer Teams oder bei Problemen im alten Team sind systemische Sichtweisen und Methoden sehr effektiv und weit weg von herkömmlichen Coachings.

Auch einzelne Mitarbeiter können im Einzelsetting bei Problemen effektiv unterstützt werden. 

Auch ich selbst bin in Supervision, um meine Arbeit zu reflektieren und mich immer weiter zu entwickeln. 

UNSERE SYSTEME / UNSERE ROLLEN

Systeme und Rollen, Katja Keller Sys Talk